2. Dezember 2012


Wichtels Adventsgeschichte
zum 2. Dezember

Das kranke Äugelchen

In einem kleinen, windschiefen Häuschen am Rande eines Waldes lebte ein altes Mütterchen mit ihren Katzen. Das Mütterchen liebte ihre Katzen und die Katzen liebten das alte Mütterchen. Am Tag liefen die Katzen in Garten und Wald frei herum. Wenn es dunkel wurde, rief die Frau die Katzen herein. Sie sorgte sich dann um ihre vierbeinigen Freunde, denn allerlei Gesindel trieb sich nächtens um die Hofstelle herum. 

Die Kätzchen ahnten die Gefahr und kamen abends, eine nach der anderen ins Haus. Dort ließen sie sich füttern, suchten ihre Schlafstellen auf und warteten geduldig, bis die alte Dame jeder Katze gute Nacht gewünscht hatte. Es war ein besonderes Ritual. Die Frau streichelte zärtlich über die Köpfchen der Katzen und murmelte immer wieder die Worte: »Alles ist gut!«
Das verstanden die Katzen und sie schnurrten sich in den Schlaf.

Eines Tages erkrankte eine der Samtpfoten schwer. Ausgerechnet das Äugelchen, das der alten Frau besonders ans Herz gewachsen war, schnupfte, fraß und trank nicht mehr und wurde immer elendiger. So legte die Frau die kranke Katze in ein Körbchen und machte sich auf den beschwerlichen Weg zu einem Tierarzt. Der untersuchte das kranke Äugelchen und stellte fest, dass es einen bösen Schnupfen hatte. Er hatte wenig Hoffnung, dass Äugelchen die Krankheit überleben könne. Die alte Frau war sehr traurig über diese Diagnose und fragte bittend, ob nicht doch etwas Hoffnung bestehen würde. Den Tierarzt rührte die alte Frau und so versorgte er die Katze nach besten Wissen und trug der Frau auf, jeden zweiten Tag mit Äugelchen in die Praxis zu kommen.

So wachte die alte Frau über das kranke Äugelchen, streichelte ihr immer wieder über den Kopf, flüsterte ihr dabei zu: »Alles wird gut!« und Äugelchen sah sie traurig mit einem Auge an, als würde sie selbst nicht daran glauben können.

Am zehnten Tag war Äugelchen schon so geschwächt, dass es kaum noch das Köpfchen heben konnte. Das Mütterchen fragte sich selbst, ob es nicht ihr Egoismus sei, der sie um das Leben der Katze kämpfen ließ. Sie trug die Katze zum Tierarzt und auch der befand, das Äugelchen nicht mehr leiden zu lassen. Da öffnete Äugelchen ihr verbliebenes Augenlid und sah beide mit ihrem Auge traurig an. 
»Gut!«, sagte der Tierarzt, »Zwei Tage gebe ich dir noch Äugelchen, über das Wochenende musst du gesund werden!«

Die alte Frau bereitet für Äugelchen ein Nestchen in ihrem eigenen Bett, verrichtete nur die notwendigsten Dinge. Legte sich immer wieder neben die kranke Katze, streichelte über den Kopf und flüsterte: »Alles wird gut, Äugelchen!«

Und die Magie dieser Worte ließ Äugelchen am Samstag wieder schnurren, abends suchte sie auf wackeligen Pfoten ihren Wassernapf auf und konnte Wasser trinken, ohne es wieder herauswürgen zu müssen. Am Sonntag fing sie wieder vorsichtig an zu fressen. Sie hatte die schwere Krankheit überstanden und es folgte wieder eine gute Zeit, in denen die alte Frau ihre Katzen wieder mit: »Alles ist gut!« in den Schlaf schnurren ließ.

Jeder Tag ist wichtig. Gerade in persönlichen Krisenzeiten kann die Hoffnung auf den guten »Ist-Zustand« helfen, die schwere Zeit zu überstehen.

Der Adventwichtel hat für Sie einen Buchtipp:


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